Viva Polonia – so nah, so fern!
Seitdem im Jahre 1989 in Polen die Weichen für den Systemwechsel hin zum Aufbau eines demokratischen Rechtsstaats gestellt wurden, hat dieses im Westen bis dahin weitgehend unbekannte, ferne Land eine große Faszination auf mich ausgeübt.
In dieser Umbruchzeit Anfang der Neunziger Jahre waren westeuropäische Regionen oder westeuropäische Städte wie z.B. Paris, Berlin oder London plötzlich nicht mehr so interessant wie in den Jahrzehnten zuvor, schienen sie sich doch z.B. im Hinblick auf die Ausgestaltung städtischer Räume (Boulevards, Shopping-Malls, citynahe Wohn- und Gewerbeviertel, Vorort- oder Außenzonen, zunehmende Zersiedelung und zunehmende Versiegelung von Grünflächen durch Ausbau der Infrastruktur etc.) oder im Hinblick auf die Ausprägung kultureller Eigenschaften und Identitäten, im Hinblick auf die Beziehungen sozialer Gruppen im städtischen Raum (z.B. Multikulturalität), auf gemeinsame Traditionen, Werte und Überzeugungen in hohem Maße zu ähneln.
Spannender schien dabei die Entdeckung des weitgehend Unbekannten, der Länder hinter dem ehemaligen „Eisernen Vorhang“ zu sein. Obwohl z.B. meinerseits keinerlei private oder familiäre Bezüge nach Ost- oder Mitteleuropa bestanden, waren es in dieser Situation z.B. gerade die ehemals deutschen und nun polnischen Territorien Schlesiens, der sog. polnische „Wilde Westen“, den es als „zehnfach interessantes Land“ (Goethe, 1790) und als bis dato weitgehend unbekannte mitteleuropäische Region und Drehscheibe zwischen Ost und West neu oder wieder zu entdecken und entschlüsseln galt – nicht zuletzt im Hinblick auf eine vielfach verschüttete/vergessene gemeinsame Geschichte, Kultur und Literatur von Deutschen und Polen.
Natürlich war es auch das in Oberschlesien gelegene Vernichtungslager Auschwitz (Oświęcim), das für jeden nachgeborenen Deutschen angesichts der systematischen Ermordung von Millionen europäischer Juden und und auch zahlloser Polen zum unauslöschlichen Sinnbild nationalsozialistischer Verbrechen der Deutschen und zum zentralen Bestandteil deutscher Erinnerungskultur geworden war und mit dem es sich (wollte man sich diesem unbekannten Land Polen nähern) auseinanderzusetzen galt.
Es war zugleich klar, dass man bei diesem Blick zurück auf die gemeinsame deutsche und polnische Geschichte nicht auf dieser Ebene der Vergangenheit verharren durfte, sondern den Blick vielmehr weiten musste auf die Gegenwart und Zukunft der polnischen Gesellschaft der Nachwendezeit.
Ausdruck dieser Wechselbeziehungen zwischen den Ebenen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sollte in der Folgezeit der sog. Deutsch-Polnische_Begegnungsrahmen sein, der schließlich zur Etablierung und Entwicklung eines projektbezogenen deutsch-polnischen Austausches mit dem XIII.Liceum Wroclaw (Breslau) als Partnerschule und der gemeinsamen Teilnahme am späteren europäischen Comenius-Projekt seinen Ausdruck fand.
Wie so häufig, gelingt es Verantwortlichen wie mir jedoch erst nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben, einen Blick zurück auf zahlreiche abgeschlossene Vorhaben zu lenken und auf diese Weise auch ein Stück weit sich selbst gegenüber Rechenschaft über das eigene Tun im Hinblick auf die Entdeckung dieses Nachbarlandes Polen zu geben.
Insofern dient eine Website wie diese natürlicherweise auch immer dem Ziel der Selbstvergewisserung über die in der Vergangenheit durchgeführten Projektaktivitäten, an denen seit 1994 bis 2021 die unterschiedlichsten Schüler/-innengruppen und zahlreiche Kolleginnen des Gymnasiums Ulricianum Aurich und der Europaschule Gymnasium Westerstede erfolgreich teilgenommen haben.
Der damit verbundene „Blick zurück“ verfolgt damit zugleich auch immer das Ziel der Dokumentation abgeschlossener Projekte, was natürlich die Beantwortung der Frage beinhaltet, „wie alles begann“ und was sich schließlich aus den anfänglichen Kontakten des Jahres 1993/1994 im Laufe der Jahre alles entwickelt hat.
So hat mich z.B. der Blick auf die aktuelle WebSite des Gymnasiums Ulricianum Aurich, meiner früheren Schule, darin bestärkt, die offensichtlichen Darstellungslücken der Geschichte meiner und unserer Kontakte zu unserem Nachbarland Polen ein Stück weit zu schließen. Ja, heute beteiligt sich meine frühere Schule in Fortführung des ursprünglichen Comenius-Projekts weiterhin erfolgreich am europäischen Erasmus-Projekt, u.a. gemeinsam mit ehemaligen europäischen Comenius-Partnern u.a. aus Polen oder Tschechien; gleichwohl sind die in dem schulischen Comenius-Blog gegebenen Informationen zum vorangegangenen Comenius-Projekt der Jahre 1996 bis 2001, an dem neben der polnischen Partnerschule aus Kepno vor allem das XIII. Liceum Wroclaw engagiert und erfolgreich teilgenommen hat, äußerst übersichtlich und insgesamt leider recht dürftig.
Neben der Nennung der seit dem Jahre 1994 bzw. 1995 bestehenden Kontakte erfährt der interessierte Besucher der Schulwebsite äußerst wenig bis gar nichts über die Genese der Beziehungen zum XIII. Liceum Wroclaw (Breslau). Informationen zur seit 1994 bestehenden Arbeitsgemeinschaft Polen und zum von Joao Neves, Michael Timpe und Helmut Ubben geleiteten Projekt „Jüdische Friedhöfe Wroclaw“ sind nicht vorhanden, ebensowenig wie Informationen darüber, welche Initialzündung insbesondere von dieser Arbeitsgemeinschaft für die Entwicklung der späteren Austauschkontakte zum XIII. Liceum Wroclaw ausging, welche Bedeutung die während des 350-jährigen Schuljubiläums im früheren GWZ (Geisteswissenschaftliches Zentrum Aurich; Gebäudekomplex der Ostfriesischen Landschaft) durchgeführte Austauschleiterkonferenz der eingeladenen Partnerschulen für die spätere Begründung des europäischen Comenius-Projekts mit Schulen aus Newquay (GB), Landøya Skole Nesbru (No), Kepno (PL) und Wroclaw (PL) hatte, an dem aufgrund einer internen Entscheidung der deutschen Koordinationsschule die beiden polnischen Partnerschulen bereits vor ihrem offiziellen EU-Beitritt teilnehmen konnten; auch der durch die Arbeitsgemeinschaft Polen hergestellte Kontakt zum Gymnazium pod Svatou Horou aus Pribram (Tschechien) als späterem Mitglied des Comenius-Projekts und Teilnehmergruppe an der in Aurich durchgeführten Milleniumsrevue „Zeitreise durchs Jahrhundert“ findet in der Genese der schulischen Auslandskontakte keine Erwähnung.
Nicht zuletzt aufgrund dieser vorhandenen Defizite liegt ein weiteres Ziel dieser Website sicherlich in der sukzessiven Vervollständigung/Ergänzung der lückenhaft vorhandenen Darstellung der schulischen Beziehungen zu unserer polnischen Partnerschule aus Wroclaw und späteren tschechischen Projektpartnerschule aus Pribram.